In der Pandemiezeit die Schildkröte gesucht

Jena. „Während der Corona-Zeit habe ich viel Zeit für mich selbst genutztund die Zeit auch etwas genossen. Man konnte viele Dinge machen, fürdie ich normalerweise keine Zeit gehabt hätte.“ So wie dem gerade 21Jahre alt gewordenen Fußball-Schiedsrichter Tim Skatulla vom SV SchottJena geht es wohl vielen Anderen seines Jahrgangs auch. BeimAuszubildenden zum Immobilienmakler/-kaufmann kam in dieser Zeit abernoch eine Situation mit großem Aufregungspotenzial hinzu. Letztens wardem gebürtigen Jenaer im Garten seiner Eltern eine Schildkröte entlaufen.„Wir haben fast den ganzen Abend gesucht und sie nicht gefunden.“ Bisheute nicht und man kann nur hoffen, dass sie überlebt. Zu seinenLieblingstätigkeiten in der Zeit ohne Fußball beschäftigte sich deraufstrebende Schiedsrichter, der seit seinem sechsten Lebensjahr dem SVSchott angehört, sehr viel mit anderen Sportarten und probierte dieseauch aus. Er ist fast jeden Tag in der Woche sportlich aktiv, da dies für ihneinen gewissen Ausgleich darstellt. Außerdem trifft er sich häufig mitFreunden und schaut sich gelegentlich auch mal eine Serie auf Netflix an.Schwierig war für den begeisterten Fußball-Torwart die Entscheidung,zwischen Torwartposition und Schiedsrichterwesen abzuwägen. Er spieltefast 15 Jahre bei Schott und war ein guter Torhüter. „Dem Verein habe ichsehr viel zu verdanken. Wir haben viele Höhen und Tiefen durchlebt, dochbis heute bin ich dem Verein treu geblieben“, ist der junge Mann auch einbisschen stolz. Am Trainingsbetrieb beteiligt er sich noch immer, hat sichaber 2020 für eine Schiedsrichter-Karriere entschieden. Sein ehemaligerMitspieler William Mazur hatte ihn einst überredet, einen Schieri-Anwärterlehrgang zu absolvieren, da sein Verein durch die damaligeOberligamannschaft weitere Referees benötigte. Tim war also mehr Mittelzum Zweck. Mittlerweile sieht er das anders und ist froh, sich für das-Spiele-leiten auf dem Platz entschieden zu haben. Am Anfang hatte der1,85m-Mann natürlich nur Juniorenspiele zu pfeifen, die ihm sehr geholfenhaben, erste Schwierigkeiten zu erkennen und abzustellen. Doch ermerkte relativ schnell, dass ihm das Pfeifen große Freude bereitet. Seinerstes Großfeldspiel hatte Tim gemeinsam mit seinem DrillingsbruderTom, mit Tina gibt’s noch ein Mädchen dieses Alters, beide Jungs warenAssistent bei einem Frauen-Spiel des FF USV Jena III. Sein Bruder ist jedochschon seit längerer Zeit nicht mehr als Referee aktiv. Außerdem gibt’snoch eine 28-jährige Schwester, die in Leipzig lebt. Schwierigkeiten, dieersten Partien gut über die Runden zu bringen, hatte der 73-Kilo-Burschenicht, da er durch seine Partien als Spieler schon viel für das Amtieren alsSpielleiter abschauen konnte. Auch wenn er sich manchmal als Torwartgegenüber den Referees nicht immer im Zaume hatte.„Für mich ist die Gemeinschaft aller Schiedsrichter wie eine große Familie.Man hilft, wo man kann und unterstützt sich gegenseitig.“ Das Team stehtdabei immer im Vordergrund, weiß der junge Jenaer, der seit dem 10.November 2014 Schiedsrichter ist. „Allein ein Teil dieser Gemeinschaft zusein, ist sehr reizvoll, egal welche Aufgaben man bewältigen muss.“ In fast
 
 
sieben Jahren Schiedsrichtertätigkeit hat er aber auch schon einiges erlebt. Gezählt hat er die Einsätze nicht oder gar aufgeschrieben. Jedoch gab es unter den schätzungsweise knapp 300 schon sehr viele schöne Spiele, die er in seinen jungen Jahren als Referee oder an der Linie erlebendurfte. Eines dieser Spiele war das Thüringenpokalspiel zwischen dem SC 1903 Weimar und dem ZFC Meuselwitz. Ein anderes war das Freundschaftsspiel zwischen dem FC Thüringen Jena und dem FC Carl Zeiss. Ein Spiel unter seiner Leitung blieb ihm besonders in Erinnerung: EinKreispokalspiel zwischen dem FSV Orlatal und dem VfB 09 Pößneck. Das Spiel hatte einen sehr ungewöhnlichen Spielverlauf und es waren knapp 400 Zuschauer vor Ort. Ein wirkliches Vorbild hat der Jenaer Unparteiische nicht. In gewisser Hinsicht ist jeder Kollege für ihn ein Vorbild. „Durch gemeinsame Ausfahrten zu den Spielen lernt man viel voneinander. Häufig ist es so, dass man durch Ansetzungen mit dem ein oder anderen etwas mehr zu tun hat und die Kollegen natürlich auch etwas besser kennen lernt“, freut sich Tim immer wieder über die Zusammenarbeit. „Dadurch kann man sich natürlich auch viele Dinge abschauen. Egal, ob auf oder neben dem Platz.“ Als ehemals aktiver Fußballer hat der Jenaer einen Lieblingsspieler, der nicht nur durch Leistung, sondern auch durch eine skandalfreie Karriere auf sich aufmerksam macht. Harry Kane von den Tottenham Hotspurs aus London ist der Spieler, dessen Werdegang Tim schon seit längerer Zeit verfolgt. Er schaut sich regelmäßig Spiele des 27-Jährigen an und freut sich stets, ihn spielen zu sehen. Tim Skatulla hatte Glück, dass er vor dem Lockdown im November 2020 seine für den Aufstieg in Frage kommenden Spiele bereits absolviert hatte.Seinen Unterstützern bis dahin will er hier einmal ausdrücklich gedankt haben. Kreisoberliga-Schiedsrichter vor dem Absprung in die Landesklasse-- damit kann man als 21-Jähriger zufrieden sein. „Ich hoffe, dass ich bald wieder auf dem Spielfeld stehen kann und freue mich auf die neue Saison.“
 
von Manfred Malinka

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